Arndt-Sonnenberger-Muskeln-web Frauen in Führung

Mehr Frauen in Führung – wie kann das in den Unternehmen gelingen?

In der letzten Woche habe ich virtuell am Wirtschaftsforum der Vielfalt 2021 teilgenommen. Die Arbeitgebendeninitiative Charta der Vielfalt hatte hochkarätige Sprecher wie Ursula von der Leyen, Annette Widmann-Mauz, Robert Habeck, Dr. Rainer Dulger, 9 Vorstände namhafter Unternehmen in Deutschland eingeladen, die über Ihre Zukunftsszenarien zum Thema Digitalisierung, Integration, Vielfalt, Diversity und mehr sprachen oder Impulsvorträge hielten.
Besonders interessant war für mich das Thema Frauen in Führung. Das Forum hat gezeigt, dass sich alle bemühen, mehr Frauen in die Unternehmen zu holen und in Führungspositionen zu bringen.
Viele der Vorstände von VW, BP, Novartis, Boehringer-Ingelheim, Bayer, Daimler, Accenture und Siemens haben sich mit 50% Frauen ambitionierte Ziele bis 2025 gesetzt. Die Deutsche Bahn plant 30% bis 2024. Begründet wurde dies mit der Historie als Männerdomäne.
Wie gesagt, alle sind sehr bemüht, aber es bleibt noch viel zu tun und zu beweisen, dass die Ziele auch umgesetzt werden!

Woran liegt es, dass immer noch zu wenig Frauen in Führungspositionen sind?

Aus meiner langjährigen Erfahrung als Führungskraft und selbstständigen Tätigkeit als Business Coach, Beraterin und Trainerin sind die Ursachen vielschichtig. Viele der öffentlich diskutierten Themen wie mangelnde Chancengleichheit, historisch Männer dominierte Branchen und die Unternehmens- und Führungskultur sind bedeutende Faktoren. Aber auch die gesellschaftliche Kritik an Frauen, die Beruf und Familie zu verbinden versuchen, spielt bis heute eine große Rolle. Sowohl aus eigener Erfahrung, als auch von Klientinnen im Coaching, höre ich immer wieder von Kritik aus dem privaten Umfeld z. B. beim beruflichen Wiedereinstieg nach einer Babypause. „Du hast doch jetzt Kinder, da muss man beruflich zurückstecken.“ Ein anderes Thema ist auch das teilweise fehlende Selbstmarketing und Selbstvertrauen von Frauen. Sie zeigen oft eine zu große Bescheidenheit, ihre Erfolge zu kommunizieren und Beförderungen aktiv einzufordern oder durch gezieltes Netzwerken darauf hinzuarbeiten.

Was ist mein Ansatz in der Beratung?

Ziel meiner Beratungen von Unternehmen ist es, mehr Frauen in die Unternehmen zu holen, sie dort langfristig zu halten und zu entwickeln. Ich zeige auf, wie dies durch verschiedene Modelle wie z. B. optimierte Stellenanzeigen, flexible Arbeitszeitmodelle, Teilzeitmodelle – auch in Führungspositionen, interne und externe Netzwerke, Förderprogramme, wertschätzende Führung, Mentoring-Programme, Coaching, Nachwuchsförderung, Wiedereinstiegsszenarien u. v. m. möglich ist. Gezielte Konzepte mit den Unternehmen zu entwickeln, die bedarfsorientierte Karriereplanung und Entwicklung von Frauen bis hin zur Vorstandsebene vorantreiben, sind mir ein Anliegen. Wichtig ist es aus meiner Sicht zudem, in Unternehmen eine Kultur zu entwickeln, die Frauen ermutigt, motiviert und unterstützt Ihre Ziele zu erreichen und männlichen Kollegen gleichstellt, ohne dass diese sich wiederum benachteiligt fühlen.

Was können Unternehmen tun?

Stellenanzeigen anders gestalten

Haben Sie sich mal bewusst die Stellenanzeigen von Unternehmen angesehen? Teilweise wird immer noch mit einer Bildsprache gearbeitet, die Frauen nicht anspricht z. B. rein technische Bilder oder Teams, die vorwiegend männlich sind. Vielfach werden Bilder von Bilddatenbanken verwendet, die wenig über das Unternehmen aussagen. Zudem wird in den Beschreibungen häufig eine Sprache verwendet, die zu viele männlich assoziierte Begriffe enthält. Studien zeigen, dass Frauen sich eher von Verhaltensweisen angesprochen fühlen als von Eigenschaften.
So kann man z. B. anstatt nach einem/r „selbstsicheren“ Mitarbeiter*in nach jemandem suchen, der „die eigene Position klar vertritt“ oder anstatt durchsetzungsstark „die Fähigkeit Ziele zu erreichen“ verwenden. Wichtig ist es, eine Sprache zu nutzen, die alle Geschlechter gleichermaßen anspricht. Des Weiteren können Unternehmen darauf hinweisen, dass Sie ein familienfreundliches Unternehmen sind, flexible Arbeitszeitmodelle wie Job-Sharing, Führung in Teilzeit, Kinderbetreuung, Gesundheitsprogramme oder anderes fördern und anbieten. Wichtig ist, dass die aufgeführten Möglichkeiten auch tatsächlich und für alle Geschlechter angeboten werden.
Studien zeigen, dass sich Frauen nur bewerben, wenn sie > 90% der geforderten Kriterien einer Stelle erfüllen. Fokussieren Sie sich also nicht nur auf Erfahrungen, sondern auch auf die Entwicklungspotenziale der gewünschten Bewerber*innen.

Karrieregespräche regelmäßig führen

Viele Unternehmen führen Jahres- oder Halbjahresgespräche zur erbrachten Leistung. Die Zukunftsplanung spielt dabei häufig nur eine Rolle in Bezug auf stellenbezogene Ziele/Unternehmensziele. Wichtig ist es, die Vorstellungen kurz-, mittel – und langfristig zu erfragen und einen Entwicklungsplan gemeinsam festzulegen.
Was wird benötigt? Sei es Soft Skills Training, Mentoring, Coaching oder fachliche Expertise. Auch für Mitarbeiter*innen in Elternzeit empfiehlt sich ein regelmäßiger Austausch und eine entsprechende Zukunftsplanung. Angebote für flexible Arbeitszeitmodelle sind häufig willkommen, erleichtern den Wiedereinstieg und belegen das Interesse des Unternehmens an einem Fortbestand der Arbeitsbeziehung. Gerade Frauen haben häufig das Gefühl, dass Karriere nur in Vollzeit möglich ist. Hier bedarf es einer klaren Positionierung des Unternehmens, dass Leistung und nicht die Arbeitszeit zählt.

Offizielle Mentoring-Programme

In vielen Unternehmen gibt es offizielle Mentoring-Programme für Frauen. Diese sind wichtig und häufig gut organisiert. Teilweise aber auch für beide Seiten nicht zielführend. Ein gutes Matching von Mentor und Mentee ist essenziell, um eine vertrauensvolle Beziehung zu ermöglichen und für beide Seiten einen Mehrwert zu schaffen. Häufig werden Führungskräfte verpflichtet, an solchen Programmen in Ihrer Vorbildfunktion teilzunehmen, obwohl sie Ihre Bedenken aufgrund zeitlicher oder anderer Restriktionen bekunden.
Ein klares Commitment und die Bereitschaft, Zeit zu investieren und Vereinbarungen einzuhalten, ist aber wichtig für den Erfolg des Mentoring und die Basis für eine offene und vertrauliche Atmosphäre. Freiwilligkeit zur Teilnahme sollte auf beiden Seiten bestehen. Auch Mentoren sollten sich bewusst machen, dass sie in hohem Maße von einem Mentee profitieren. Sie können z.B. die Entwicklung des Mentee unterstützen, ihren eigenen Stil und ihr Vorgehen in bestimmten Situationen reflektieren und ihre Feedback-Fähigkeiten trainieren.

Mentoring als Teil der Unternehmenskultur

Inoffizielles Mentoring kann zudem auch als Konzept und Teilbestand der Unternehmenskultur eingesetzt werden. Mitarbeiter*innen sollten ermutigt werden, sich selbst Mentoren zu suchen oder als solche zu fungieren. Wenn jemand z. B. seine Finanzexpertise aufbauen möchte, kann der Kollege*in aus dem Finanzbereich angesprochen und gefragt werden, ob sie/er für eine gewisse Zeit als Mentor bei Fragen unterstützen könnte. Beide Seiten profitieren von dem Austausch, denn der Kollege/in hat sicher auch Fähigkeiten oder Wissen, das für den Mentor hilfreich sein kann.

Verstehen der unterschiedlichen Kommunikationskulturen

Frauen und Männer kommunizieren auf unterschiedliche Art und Weise. Das Kommunikationsverhalten hat gerade im beruflichen Umfeld eine große Bedeutung und kann einen Einfluss auf Mitarbeiterzufriedenheit und den Erfolg haben. Ein größeres Verständnis, wie das jeweilige andere Geschlecht kommuniziert, führt zu mehr Wertschätzung und ermöglicht die Perspektive des Gegenübers einzunehmen.

Veranstaltungen mit Vorbildern

In meiner Zeit als Führungskraft wurde ich oft gebeten, zu Treffen mit weiblichen Talenten zu kommen, um über meine Erfahrungen zu sprechen, Fragen zu beantworten und Tipps zu geben. Häufig werden solche Veranstaltungen über die Frauennetzwerke von Unternehmen organisiert. Sichtbarkeit und Erfahrungsaustausch, aber auch Ermutigungen und Lernen von Vorbildern sind wichtige Aspekte solcher Veranstaltungen. Sie können ohne viel Aufwand auch kurzfristig initiiert werden, beispielsweise wenn jemand aus der Unternehmensführung einen Standort besucht. Oder mit unterschiedlichen Führungskräften als monatlicher Termin zu verschiedenen Themen, die für die Karriereentwicklung relevant sind. Auch als virtuelle Treffen können diese Veranstaltungen effektiv durchgeführt werden und Motivation schaffen. Selbstverständlich nicht nur für Frauen.

Mehr Frauen in Führung

Starke Frauen und starke Männer bilden noch stärkere Teams! Sie haben jedoch unterschiedliche Bedürfnisse bei der Karriereplanung. Unternehmen, die dies berücksichtigen und Ihre Unternehmenskultur entsprechend gestalten, werden einen Vorteil haben und Ihre Ziele für mehr Frauen in Führungspositionen erreichen.
In vielen Bereichen muss umgedacht werden und aktiv gestaltet werden. Es gibt noch viel zu tun, aber jeder Schritt trägt ein Stück zur Veränderung bei. Die Vorteile diverser Teams sind vielfach belegt.
Mir ist es ein Anliegen, selbst auch einen Beitrag mit meiner Arbeit zu leisten. Als langjährige Führungskraft, Working Mum, Business Coach, Beraterin und Trainerin habe ich viele Erfahrungen gemacht, die ich an Frauen und Unternehmen weitergeben möchte für mehr Vielfalt in der Arbeitswelt.