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Warum Frauen sich (nicht?) trauen – Chancen und Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt

Interview von Karen Sonnenberger mit Monika Sporczyk

Im letzten Jahr sind öffentliche Diskussionen zum Thema Frauen in Führung deutlich verstärkt geführt worden. Chancengleichheit, eine diversere Unternehmenskultur und gleiche Bezahlung sind nur ein paar der Themen, die im Fokus stehen.

In Studien wird regelmäßig über den Frauenanteil in Vorständen und Aufsichtsräten in Deutschland berichtet. Die Zahlen zeigen immer wieder einen großen Nachholbedarf, wenn es um Gleichberechtigung in den Führungsebenen geht. Auch im europäischen Vergleich schneidet Deutschland weniger gut ab. In den letzten Monaten sind zwar einige Frauen in die Vorstände namhafter Unternehmen berufen worden, es bleibt aber noch viel zu tun, bis ein natürliches Gleichgewicht hergestellt ist.

Als langjährige Führungskraft und Geschäftsführerin in der Pharma- und Medizintechnik-Sparte von GE Healthcare, kenne ich die Herausforderung, weibliche Talente zu finden, sehr gut. Seit 2020 unterstütze ich mit meinem Unternehmen Sonnenberger Coaching zudem als Expertin für Beruf, Karriere und Führung auch viele Frauen bei der beruflichen Neuorientierung. Im Gespräch mit Monika Sporczyk möchte ich mehr zur Chancenentwicklung von Frauen am Arbeitsmarkt und Ihren Erfahrungen mit weiblichen Talenten in der Personalberatung erfahren. Sie ist als Senior Consultant bei der PMC International AG tätig und hat in den letzten Jahren zahlreiche Kunden bei der Personalsuche unterstützt. Liebe Monika, ich freue mich auf Deine Einschätzungen und Tipps!

K.S.:  Als Senior Consultant in einer namhaften Personalberatung hast Du mit vielen Unternehmen zu tun. Siehst Du einen Trend, dass diese mehr Frauen für Ihre Führungspositionen suchen und gibt es diesbezüglich Branchenunterschiede?

M.S.: Tatsächlich ist es in den vergangenen Jahren immer öfter vorgekommen, dass sich unsere Klienten Frauen in führenden Positionen gewünscht haben, aber über ihre eigenen Stellenanzeigen leider nicht fündig geworden sind. Wenn wir die Suche dann per Direktansprache übernehmen, indem wir proaktiv auf geeignete Kandidatinnen und Kandidaten zugehen, können wir unter Berücksichtigung aller notwendigen Qualifikationen direkt auf diese Wünsche eingehen.

Natürlich ist es auch für unsere Klienten interessant, wie viele potenzielle Kandidatinnen es denn überhaupt auf dem Markt gibt und wie viele hiervon wiederum wechselwillig sind. Das Interesse von Arbeitgeberseite ist also groß! Besonders in männerdominierten Berufen und Branchen kommt der Wunsch nach Frauen in führenden Positionen immer häufiger auf.

Meiner Erfahrung nach gibt es deutlich mehr potenzielle Kandidatinnen im Finanz- oder Personalwesen als in technischen und vertrieblichen Berufen, insbesondere wenn es um technisch erklärungsbedürftige Produkte aus der Industrie geht, wie zum Beispiel im Energiesektor oder der Elektrotechnik. Hier sind die männlichen Kollegen deutlich stärker vertreten. Auf der anderen Seite gibt es natürlich auch Branchen, in denen mehr Frauen als Männer vertreten sind. Die Herausforderung, Diversität zu schaffen, besteht also auf beiden Seiten!

K.S.:  Wie beurteilst Du das Qualifikationsniveau von Frauen und setzen sie es auf dem Arbeitsmarkt entsprechend ein?

M.S.: Wir arbeiten bei PMCI per Direktansprache, sprich der Identifikation und gezielten Ansprache von passenden Kandidatinnen, daher kontaktieren wir natürlich nur Frauen, die auch für die zu besetzende Position qualifiziert sind. In den darauffolgenden Interviews mit potenziellen Kandidatinnen stelle ich dann leider immer wieder fest, dass Frauen besonders zurückhaltend auf unsere Ansprache reagieren und sich selbst teilweise nicht oder nur schwer einschätzen können. Wenn wir auf der anderen Seite anonymisierte Stellenanzeigen für unsere Klienten schalten, bewerben sich deutlich weniger Frauen als Männer – und die Frauen sind oft noch überqualifiziert.

Die neueste Studie des Kompetenzzentrums für Fachkräftesicherung (KOFA) belegt meinen Eindruck: Frauen arbeiten deutlich häufiger in Positionen, die unter ihrem Qualifikationsniveau liegen. Das ist sehr schade! Denn gerade wenn ich Kandidatinnen aktiv anspreche, können diese davon ausgehen, dass ich sie für passend erachte, auch wenn sie selbst zweifeln sollten. In den weiterführenden Gesprächen können wir dann gemeinsam herausfinden, ob die angebotene Position der richtige nächste Schritt sein kann. Sollte dies einmal nicht so sein, kann die investierte Zeit als Netzwerkaufbau verbucht werden. Geschadet hat das Gespräch in jedem Fall nicht!

K.S.:  Was müssen Stellenausschreibungen beinhalten, damit Frauen sich öfter aktiv bewerben?

M.S.: Wenn wir uns die klassische Stellenausschreibung ansehen, geht es hier oft um harte Fakten. Welche Ausbildung ist gewünscht, wie viele Jahre Berufserfahrung sollen die Kandidatinnen mitbringen und wie viele MitarbeiterInnen haben sie geführt? Viele Frauen sind sehr selbstkritisch und lassen hiervon abschrecken, da sie in Gedanken „abhaken“, welche Punkte sie für die Position zu 100 Prozent erfüllen.

Um Frauen stärker anzusprechen, sollten wir das Thema „Anforderungen“ aufbrechen und mehr Platz für Individualität lassen. Da fängt es mit der Positionsbezeichnung an. Statt dem „Projektleiter (m/w/d) könnten wir die „Projektleitung (m/w/d)“ suchen. Und statt der „fünf Jahre Führungserfahrung“ könnten wir schlicht „mehrjährige Führungserfahrung“ fordern. Hierdurch würden sich sicher mehr Frauen ermutigt fühlen, den Prozess zu starten, da die Ausschlusskriterien, wer für diese Position passend oder unpassend ist, nicht detailliert ausformuliert sind.

Denn ob unsere Kandidatinnen acht statt der gewünschten zehn Jahren Berufserfahrung und nur Teams mit bis zu vier MitarbeiterInnen statt der gewünschten fünf mitbringen, ist am Ende des Bewerbungsprozesses nicht ausschlaggebend. Um uns und unsere Klienten zu überzeugen, kommt es auch immer auf die Persönlichkeit an!

K.S.:  Was ist aus deiner Sicht der Hauptgrund, warum Frauen seltener den Bewerbungsprozess starten?

M.S.: Ich habe mich schon oft gefragt, warum Frauen seltener auf meine Kontaktanfragen eingehen und sich zurückhaltender auf unsere Stellenausschreibungen bewerben. Die Gründe hierfür sind sicher vielseitig. Meiner Meinung nach ist der Hauptgrund jedoch, dass Frauen häufiger an sich und Ihren Qualifikationen zweifeln als männliche Kollegen und deshalb auch seltener den Bewerbungsprozess starten. Natürlich gibt es viele tolle Kandidatinnen, die selbstsicher auf dem Markt auftreten und erfolgreich die ihnen gebotenen Chancen wahrnehmen.

Meiner Erfahrung nach wirken Männer jedoch oft deutlich selbstbewusster im Prozess, sogar wenn sie weniger als 50 Prozent der Anforderungen erfüllen. Sie trauen sich schlichtweg mehr und versuchen einfach ihr Glück, denn mehr als eine Absage zu erhalten, kann nicht passieren. Ich würde mir wünschen, dass auch wir Frauen mit mehr Selbstbewusstsein an den Bewerbungsprozess herangehen und weniger an uns zweifeln. Diese Entwicklung muss aber im Kopf der Kandidatinnen stattfinden und lässt sich nicht von außen erzwingen. Wir können sie nur dazu ermutigen.

K.S.: Welche Tipps kannst Du Frauen geben, um erfolgreich im Bewerbungsprozess zu sein?

M.S.: Erfolg hat viele Facetten und das Empfinden von Erfolg ist etwas sehr Individuelles; was für mich persönlich ein Erfolgserlebnis ist, kann für jemand anderen durchaus weniger zufriedenstellend sein. Kandidatin A empfindet den Bewerbungsprozess als erfolgreich, wenn sie am Ende des Prozesses die Vertragsunterlagen unterschrieben hat. Kandidatin B wiederum empfindet den Prozess bereits als erfolgreich, wenn sie etwas für sich dazugelernt hat und ihr Netzwerk erweitern konnte. Es ist also eine Frage der Einstellung und Perspektive.

Für mich persönlich war der Prozess erfolgreich, wenn ich spannende Persönlichkeiten bei unseren KlientInnen vorstellen konnte und meine Kandidatinnen – selbst wenn sie die Position nicht bekommen haben – etwas für ihren zukünftigen Weg mitnehmen konnten und dazugelernt haben. Denn: Ob Kandidatin A oder B letztendlich das Vertragsangebot bekommt, das entscheidet das Zusammenspiel aus Qualifikation, Persönlichkeit und der Unternehmenskultur.

Folgende Tipps würde ich Frauen für ihren erfolgreichen Bewerbungsprozess geben:

●Seien Sie mutig! Nutzen Sie die Gelegenheiten, die sich Ihnen bieten und sprechen Sie offen über Ihre Ziele. Bauen Sie Ihr Netzwerk auf und tauschen Sie sich mit Gleichgesinnten aus. Gegenseitige Unterstützung ist enorm wichtig und gibt Ihnen mehr Selbstbewusstsein.

●Lassen Sie sich professionell bei Ihren Plänen unterstützen! Es gibt viele spannende Möglichkeiten, mehr aus sich herauszuholen und in eine erfolgreiche Zukunft zu blicken. Coaches wie Karen bringen Sie beruflich wie privat weiter und können Ihnen dabei helfen, Ihre Ziele zu erreichen.

●Und letztendlich: Starten Sie den Prozess! Bewerben Sie sich auf Ihre Wunschposition, sprechen Sie mit uns als Personalberater und nutzen Sie die Chance, ein qualifiziertes und ehrliches Feedback zu erhalten. Jeder Kontakt wird Sie weiterbringen und Ihnen dabei helfen, Ihren Zielen ein Stück näher zu kommen.

Über die Autorinnen:

Monika Sporczyk ist Senior Consultant bei der PMC International AG und hat hier in den vergangenen drei Jahren zahlreiche Personalsuchprozesse betreut. Zuvor war sie als Research Consultant bei einem der größten, inhabergeführten Executive-Search-Unternehmen in Deutschland tätig. Ihre Branchenschwerpunkte liegen in der produzierenden Industrie sowie im Bereich Konsumgüter & Handel. Sie ist zertifizierte Eignungsdiagnostikerin und Spezialistin im Bereich des Active Sourcing. www.pmci.de

Karen Sonnenberger hat 30 Jahre Berufserfahrung im Gesundheitswesen. 23 Jahre davon war sie in Führungspositionen, zuletzt in der Geschäftsführung im Pharma-und Medizintechnikbereich von GE Healthcare. 2020 hat sie sich als Coach, Beraterin und Trainerin selbstständig gemacht. Ihre Schwerpunkte sind Beruf, Karriere und Führung. Sie hat die Zertifizierung als Professional Certified Coach der International Coaching Federation (ICF). www.sonnenberger-coaching.de