Warum Frauen sich (nicht?) trauen – und was den entscheidenden Unterschied macht

LI_Monika Warum Frauen sich (nicht?) trauen

Ich hatte die große Freude von Monika Sporczyk interviewt zu werden. Das gesamte Interview dazu, warum Frauen sich (nicht?) trauen, ist zuerst erschienen auf www.pmci.de

Interview von Monika Sporczyk mit Karen Sonnenberger

Der Frauenanteil in Vorständen und Aufsichtsräten der größten deutschen Unternehmen ist regelmäßig Gegenstand von Studien. Ein Beispiel dafür sind die Studien der AllBright Stiftung https://www.allbright-stiftung.de/berichte. In der aktuellen Studie, die im April 2021 erschien, waren die Zahlen erneut ernüchternd. Der Frauenanteil in DAX-Unternehmen liegt bei nur 12,6 Prozent. Einen besonders geringen Frauenanteil haben die Börsenneulinge. In den letzten Monaten sind einige Frauen in die Vorstände namhafter Unternehmen berufen worden. Einiges ist in Bewegung, aber es gibt noch sehr viel zu tun, um mehr Frauen in führende Positionen zu bringen.

Als Senior Consultant bei der PMC International AG habe ich in den vergangenen Jahren zahlreiche Personalsuchprozesse betreut, dabei war der Wunsch unserer Klienten nach Frauen in Führungspositionen oft groß – und dennoch unerfüllt. Es entsteht zunehmend eine Lücke zwischen den Unternehmen, die gerne Frauen in führenden Positionen hätten und auf dem Markt verfügbaren, wechselwilligen Kandidatinnen. Doch was muss sich ändern, damit mehr Frauen den nächsten Karrieresprung wagen? Im Gespräch mit Karen Sonnenberger möchte ich es herausfinden. Sie ist mit Sonnenberger Coaching die Expertin für Beruf, Karriere und Führung und war selbst über zwei Jahrzehnte in Führungspositionen tätig, zuletzt als Geschäftsführerin von GE Healthcare. Liebe Karen, ich bin gespannt auf Deine Erfahrungen!

M.S.: Karen, woran liegt es aus Deiner Sicht, dass immer noch zu wenig Frauen in Führungspositionen sind?

K.S.: Die Hintergründe sind aus meiner langjährigen Erfahrung als Führungskraft und meiner Arbeit als selbstständiger Coach vielschichtig. Sie reichen von mangelnder Chancengleichheit, einer männlich geprägten Unternehmens- und Führungskultur sowie gesellschaftlicher Kritik an Frauen, die Beruf und Familie zu verbinden versuchen, bis hin zu fehlendem Selbstmarketing und Selbstvertrauen. Selbstverständlich treffen viele Frauen auch die bewusste Entscheidung, andere Prioritäten zu setzen.

Neben den zahlreichen öffentlich diskutierten Themen fehlt mir häufig in der Betrachtung die gesellschaftliche Kritik an Frauen, die sich um eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie bemühen. Hier benötigen wir ein stärkeres gesellschaftliches Umdenken. Meine Klientinnen berichten immer wieder, dass ihr Umfeld ihnen signalisiert, die Karriere nach einer Babypause mit kleinen Kindern fortzusetzen, sei nicht ok. „Rabenmutter!“ Ein typisch deutscher Begriff, den es in anderen Ländern meines Wissens nach nicht gibt. „Du hast doch jetzt Kinder, … Was musst Du denn da noch Karriere machen …? Such Dir doch einen Minijob, dann kommst Du mal raus!“ Dieser Job liegt dann häufig unter der Qualifikation, bringt zudem nicht die gewünschte Weiterentwicklung und finanzielle Unabhängigkeit. Denn oft fallen auch noch Betreuungskosten an.

M.S.: Du hast Dich in 27 Jahren im Konzern von einer Anwendungsspezialistin zur Geschäftsführerin entwickelt. Was waren Deine Erfolgsfaktoren?

K.S.: Ich war immer wissbegierig und wollte etwas dazulernen. Auch wenn ich nicht alles wusste oder konnte, die Bereitschaft, neue Dinge zu probieren und dabei zu lernen, war aus meiner Sicht essenziell. Ich bin oft ins kalte Wasser gesprungen, wenn ich z. B. die Anforderungen einer Stellenausschreibung nicht alle erfüllt habe. Mein Motto: Trotzdem machen und lernen beim Tun! Natürlich ist eine Grundvoraussetzung für den Erfolg, stets sehr gute Leistungen zu bringen.

Wichtig ist es auch, die eigenen Ziele und Wünsche den Vorgesetzten zu vermitteln und diese nachhaltig durch z. B. Fortbildungen, Mentoring, Coaching und Netzwerken zu verfolgen.

Ich hatte zudem viele Mentorinnen und Mentoren sowohl über Firmen interne Programme als auch selbst initiiert. Wenn jemand eine Fähigkeit hatte, die ich gerne lernen wollte, habe ich um Unterstützung gebeten. Mentorinnen und Mentoren können helfen, Erfahrungen aufzubauen, einen Blick über den Tellerrand ermöglichen und das Netzwerk erweitern. Netzwerken ist aus meiner Sicht DIE Möglichkeit, um neue Kontakte zu knüpfen, von anderen zu lernen und selbst sichtbarer zu werden.

Ich habe zwei Jahre in der Firmenzentrale im Ausland gearbeitet. Diese Zeit hat mich sehr bereichert und mein Netzwerk enorm erweitert. Viele Kolleginnen und Kollegen haben gleichermaßen im Konzern Karriere gemacht und wir sind uns in den unterschiedlichsten Positionen immer wieder begegnet. Die Zusammenarbeit war durch den persönlichen Kontakt deutlich einfacher, schnell und unkompliziert. Man kannte und schätzte sich.

Selbstmarketing und Sichtbarkeit sind zudem von entscheidender Bedeutung, wenn es um die berufliche Weiterentwicklung geht. Bei mehreren Bewerbern auf eine Stelle wird aus meiner Erfahrung in den meisten Fällen die Person gewählt, deren Leistung, Image und Sichtbarkeit am größten ist und die Selbstvertrauen ausstrahlt.

M.S.: Frauen sind im Bewerbungsprozess oft zurückhaltender als Männer. Woran liegt das Deiner Meinung nach?

K.S.: Es fängt häufig schon bei den Stellenanzeigen an. Teilweise wird leider immer noch mit einer Bildsprache gearbeitet, die Frauen nicht anspricht, z. B. rein technische Bilder oder Teams, die vorwiegend männlich sind. In den Beschreibungen wird oft eine Sprache verwendet, die zu viele männlich assoziierte Begriffe enthält. Studien zeigen, dass sich Frauen eher von Verhaltensweisen angesprochen fühlen als von Eigenschaften. So kann man z. B. anstatt nach einem/r „selbstsicheren“ Mitarbeiter*in nach jemandem suchen, der „die eigene Position klar vertritt“ oder anstatt durchsetzungsstark „die Fähigkeit, Ziele zu erreichen“ verwenden. Wichtig ist es, eine Sprache zu nutzen, die alle Geschlechter gleichermaßen emotional anspricht.

Des Weiteren wird noch zu selten darauf hingewiesen, dass es sich z. B. um ein familienfreundliches Unternehmen handelt, man flexible Arbeitszeitmodelle, Führung in Teilzeit, Kinderbetreuung, Gesundheitsprogramme oder anderes fördert und anbietet. Studien zeigen außerdem, dass sich Frauen nur bewerben, wenn sie mehr als 90 Prozent der geforderten Kriterien einer Stelle erfüllen. Dies erlebe ich auch in der Coachingpraxis sehr häufig. „Ich habe doch nur drei der geforderten fünf Jahre Führungserfahrung, da kann ich mich doch nicht bewerben.“ Das ist teilweise eine Frage des Selbstvertrauens und leider auch mangelndes Selbstmarketing.

Frauen sind häufig zu bescheiden und reden zu selten über ihre Erfolge, Qualifikationen und Leistungen. Ein Kriterium kann manchmal schon zum Ausschluss der Bewerbung auf den Traumjob führen.

M.S.: Was muss sich ändern, damit mehr Frauen den Mut fassen, den internen oder externen Bewerbungsprozess zu starten?

K.S.: Zunächst sind da einmal die bereits erwähnten Stellenbeschreibungen, die Unternehmen überdenken und anpassen sollten, damit sich alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen.

Angebote für flexible Arbeitszeitmodelle, auch für Führungspositionen und Hinweise auf ein familienfreundliches Unternehmen sind häufig sehr attraktiv für Frauen, erleichtern den Schritt auch beim Wiedereinstieg und belegen das Interesse des Unternehmens an weiblichen Mitarbeiterinnen. Gerade Frauen haben häufig das Gefühl, dass Karriere nur in Vollzeit möglich ist. Hier bedarf es einer klaren Positionierung des Unternehmens, dass die Leistung und nicht die Arbeitszeit zählt.

Viele Unternehmen führen regelmäßige Mitarbeitergespräche zur erbrachten Leistung. Die Karriereentwicklung spielt dabei teilweise nur eine untergeordnete Rolle. Es geht vielmehr um stellenbezogene Ziele oder Unternehmensziele. Hier sollten die jeweiligen Karriereziele erfragt und gemeinsam ein Entwicklungsplan festgelegt werden. Dieses Angebot sollte auch für Mitarbeiterinnen in Elternzeit gelten.

In Unternehmen sollte eine Kultur geschaffen werden, die Frauen auf allen Ebenen zu jedem Zeitpunkt ihrer Karriere fördert und ermutigt, diese fortzusetzen und bis in die obersten Führungsebenen voranzubringen. Hier sind vor allem die Führungskräfte gefordert, Talente zu erkennen, zu motivieren, zu fördern und Chancen zu geben.

M.S.: Welche Tipps kannst Du Frauen, die sich mehr trauen wollen, mit auf den Weg geben?

K.S.: Generell sind Selbstvertrauen, Selbstmarketing und Sichtbarkeit entscheidende Faktoren, wenn es um den beruflichen Erfolg geht. Frauen sollten keine Angst haben, sich selbst zu vermarkten, ihre Talente darzustellen und Erfolge zu kommunizieren. Leider meinen gerade wir Frauen viel zu häufig, dass es reicht, einfach nur fleißig zu arbeiten und sich auf die Erfüllung der Aufgaben zu konzentrieren. De facto ist es aber so: Leistung allein reicht nicht. Leistung ist eine Grundvoraussetzung für den beruflichen Erfolg! Karriere heute erfordert unter anderem Markenmanagement. Das eigene Image, also die persönliche Marke glaubwürdig und authentisch zu entwickeln, ist dabei von großer Bedeutung.

Folgende Tipps würde ich Frauen für ihren individuellen beruflichen Weg geben:

  • Ich empfehle, auch mal ins kalte Wasser zu springen und Herausforderungen anzunehmen. Im schlimmsten Fall hat man eine Erfahrung gemacht, aus der man lernen kann.
  • Mentoring ist eine tolle Möglichkeit zu lernen, Kontakte zu knüpfen und sich persönlich weiterzuentwickeln. Ich würde nicht warten, bis es ein offizielles Programm gibt. Mentoren kann man sich auch selbst suchen.
  • Netzwerken, Netzwerken, Netzwerken! Vernetzung bringt Kontakte und Zugang zu neuen Netzwerken.
  • Wenn ich auf der Suche nach einer neuen Herausforderung bin, warum nicht auch ein Gespräch mit einer Personalberatung führen, die mich offensichtlich als qualifiziert für eine Rolle betrachtet. Hier kann ich wichtige Erfahrungen sammeln und werde im Bewerbungsprozess professionell begleitet.
  • Grundsätzlich sollten Frauen bei Stellenausschreibungen nicht zu kritisch mit sich selbst sein. Es reicht, einen großen Teil der Anforderungen zu erfüllen. Es gibt bestimmt einige Punkte, die man sogar übererfüllt. Am Ende entscheidet der Arbeitgeber und dabei spielt auch die Persönlichkeit eine wichtige Rolle.
Über die Autorinnen:

Karen Sonnenberger hat 30 Jahre Berufserfahrung im Gesundheitswesen. 23 Jahre davon war sie in Führungspositionen, zuletzt in der Geschäftsführung im Pharma-und Medizintechnikbereich von GE Healthcare. 2020 hat sie sich als Coach, Beraterin und Trainerin selbstständig gemacht. Ihre Schwerpunkte sind Beruf, Karriere und Führung. Sie hat die Zertifizierung als Professional Certified Coach der International Coaching Federation (ICF). www.sonnenberger-coaching.de

Monika Sporczyk ist Senior Consultant bei der PMC International AG und hat in den vergangenen drei Jahren zahlreiche Personalsuchprozesse betreut. Zuvor war sie als Research Consultant bei einem der größten, inhabergeführten Executive-Search-Unternehmen in Deutschland tätig. Ihre Branchenschwerpunkte liegen in der produzierenden Industrie sowie im Bereich Konsumgüter & Handel. Sie ist zertifizierte Eignungsdiagnostikerin und Spezialistin im Bereich des Active Sourcing. www.pmci.de